Stellungnahme der ASG zum ursprünglichen ESAB-Entwurf aus dem Jahr 2001, die nach wie vor in vielen Punkten aktuell ist

Stand: 15. Oktober 2001


Stellungnahme der Alleenschutzgemeinschaft e.V. zu dem Entwurf der „Empfehlungen zum Schutz vor Unfällen mit Aufprall auf Bäume" (ESAB) der Forschungsgesellschaft für Strassen- und Verkehrswesen, Arbeitsgruppe Verkehrsführung und Verkehrssicherheit
(Stand: 17. Juli 2001)


Einleitung

Hintergrund

Ausgangslage, Ziel und Geltungsbereich

Unfallschwere und Entfernen von Bäumen

Ergänzungspflanzung an Straßen

Literatur


Einleitung:

Die Alleenschutzgemeinschaft e.V. hält es für geboten, die Entwurfsfassung der ESAB zurückzuziehen, denn die vorliegenden Empfehlungen sind in ihrer derzeitigen Fassung überflüssig und unnötig.

Die Belange der Verkehrssicherheit werden in bereits bestehenden Regelwerken wie z.B. der RAS-LP 1 oder der RAS-LP 4 ausreichend geregelt. Des weiteren enthält die vorliegende Fassung Empfehlungen und Hinweise im Umgang mit Bäumen, die primär nicht zur Themenstellung der ESAB gehören und dazu verleiten könnten, den Schwerpunkt der Ursachenbekämpfung auf die Fällung von Bäumen und die Vermeidung von Baumpflanzungen zu setzen. Der Tenor der ESAB lässt darüber hinaus den Eindruck entstehen, dass es sich nicht um Empfehlungen, sondern um konkrete Anweisungen handelt.

Die Alleenschutzgemeinschaft e.V. geht davon aus, dass die ESAB zurückgezogen werden. Sollte dies nicht geschehen, müssen die ESAB grundlegend überarbeitet werden. In diesem Fall fordert die ASG eine Überarbeitung der vorliegenden Empfehlungen unter Beteiligung der Umweltverbände, mit dem Ziel der Konzentration auf die bekannten und geeigneten verkehrstechnischen Maßnahmen für eine wahre und effektive Unfallursachenbekämpfung, diese fortzuentwickeln und ggf. zu bündeln.


Dazu gehören:

* die generelle Absenkung der Geschwindigkeit in Alleen und ihre konsequente Durchsetzung,

* das gezielte Einsetzen von Verkehrsschildern, Randmarkierungen etc.,

* das Aufstellen von Schutzplanken in Gefahrenbereichen und Unfallschwerpunkten,

* die Aufnahme der besonderen Anforderungen an die Fahrweise in Alleen in die Fahrschulausbildung

* genaue Einzelfallbetrachtung der Fälle, in denen Fällungen als unbedingt notwendig erachtet werden.


Unabhängig davon sollen Nachpflanzungen in bestehenden Alleen und Neuanpflanzungen an Straßen – mit Ausnahme von Autobahnen – in einem Abstand von maximal 4,50 m durchgeführt werden. Ein Abstand von 8 m oder mehr ist nicht akzeptabel und nicht realistisch.



Hintergrund:

Schöne, landschaftsprägende Alleen wurden in Reiseberichten vergangener Jahrhunderte oft zum Teil schwärmerisch beschrieben. Sie lassen sich heute vor allem noch in den neuen Bundesländern finden, weil dort bis zur Wende ein flächendeckender, intensiver Straßenausbau nicht stattgefunden hat. In den alten Bundesländern sind sie demgegenüber Straßenbaumaßnahmen zum Opfer gefallen und es war aufgrund der früheren Naturschutzgesetzgebung nicht gefordert, Neuanpflanzungen vorzunehmen. Das Resultat sind ausgeräumte Straßenzüge oder noch recht junges Straßenbegleitgrün, dem der Alleecharakter mit all seinen günstigen und typischen Wirkungen auf Natur und Landschaft und den die Natur genießenden Menschen fehlt.

Baumbestandenen Strassen kommt eine besondere Bedeutung zu: Durch gravierende Flurbereinigungsmaßnahmen entstanden weitläufige Felder, die nur gelegentlich durch Feldhecken, Feldgehölze und Gewässer unterbrochen werden. Alleen bieten hier einen visuellen Ruhepunkt in der ausgeräumten Agrarlandschaft und sind ein typisches Merkmal der ländlichen Kulturlandschaft. Die touristische Attraktivität Brandenburgs, Mecklenburg-Vorpommerns und in Teilen noch Niedersachsens und Schleswig-Holsteins wird durch Alleen maßgeblich gesteigert. Baumreihen an Straßen bieten zahlreichen Tierarten Brut- und Nahrungsplätze und sind wichtige Elemente der Biotopvernetzung. Alleen üben in einer unaufdringlichen Art eine Leitfunktion für die VerkehrsteilnehmerInnen aus, wirken geschwindigkeitsmindernd und bieten Schutz vor Wind und Schneeverwehungen sowie kühlen Schatten an heißen Sommertagen.

Alleen haben unbestritten einen hohen landeskulturellen Wert und bieten ein Stück liebenswerter Heimat. Sie sind jedoch stark gefährdet, und ihre Zahl nimmt kontinuierlich ab. So werden sie nach wie vor bei Straßenausbau und Straßenverbreiterungen entfernt, unsachgemäße Kronenschnittmaßnahmen und massiver Streusalzeinsatz schädigen sie zusätzlich. Bestände überaltern, und Nach- und Neupflanzungen bleiben vielerorts aus. In dieser Situation stellt die vorgelegte Fassung der „Empfehlungen zum Schutz vor Unfällen mit Aufprall auf Bäume" (ESAB) eine zusätzliche Bedrohung für die Alleen dar.

Die Tatsache, dass jedes Jahr eine erhebliche Anzahl von Menschen im Straßenverkehr nach dem Aufprall gegen einen Baum sterben – im Jahr 2000 insgesamt 1.688 Menschen – lässt keinen Zweifel daran, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, die dazu beitragen, diese Unfallzahlen zu senken. Die eigentlichen Ursachen für die große Zahl der Unfälle – wie Unachtsamkeit, unangepasste und riskante Fahrweisen, überhöhte Geschwindigkeit oder Alkoholeinfluss – müssen vorrangig und verstärkt angegangen werden. So hat beispielsweise die konsequente Einführung von Tempolimits auf höchstens 80 km/h in Alleen in den neuen Bundesländern zu einem deutlichen Rückgang der Baumunfälle mit tödlichem Ausgang geführt.

Eine Problemlösung zu Lasten der Straßenbäume, wie dies der Entwurf der ESAB (Stand Juli 2001) vorsieht, lehnt die Alleenschutzgemeinschaft e.V. ab. Die Ursachenbekämpfung und der technische Schutz an Straßen mit Baumreihen müssen Vorrang vor der Fällung haben.
Stellungnahme der Alleenschutzgemeinschaft e.V. zu dem Entwurf der ESAB



Zu 1.1 Ausgangslage und Ziel; 1.4 Geltungsbereich (S. 5 und 7)

Die ESAB schlägt Folgendes vor:
Ziel der ESAB ist es, die Belange des Naturschutzes und der Verkehrssicherheit gleichrangig miteinander abzustimmen und die Anzahl der Unfälle mit Aufprall auf Bäume - bei gleichzeitigem Erhalt des Baumbestandes - zu minimieren, um hohe Unfallfolgen zu reduzieren.
Die ESAB soll für alle bestehenden Straßen außerhalb geschlossener Ortschaften gelten. Auch Innerorts wird die ESAB zur Anwendung empfohlen.

Stellungnahme: Die Zielstellung der ESAB folgt bereits bestehenden Grundsätzen in den Richtlinien für die Anlage von Straßen des Bundesministers für Verkehr - wie der Richtlinie für die Anlage von Straßen, Teil: Landschaftspflege, Abschnitt 1 (RAS-LP 1, Stand: 1996) oder der RAS-LP 4 (Stand: 1999) - in denen zahlreiche ökologische, aber auch verkehrstechnische, bautechnische sowie landschaftspflegerische Funktionen von Pflanzen (einschließlich von Bäumen) im Straßenraum angesprochen und Maßnahmen zu deren Schutz und Pflege unter Abwägung der Belange der Verkehrssicherheit genannt werden. Aus diesen Richtlinien ergibt sich, dass auf die Erhaltung und Neuanpflanzung von Bäumen im Straßenraum generell nicht verzichtet werden kann. Demzufolge wird detailliert beschrieben, wie Bäume im Straßenraum zu erhalten und anzupflanzen sind. Der Bundesminister für Verkehr erklärte zudem in den Grundsätzen im Merkblatt „Alleen" (Ausgabe 1992), dass Alleen, Baumreihen und Einzelbäume an Straßen zu erhalten, zu pflegen und zu entwickeln sind, soweit dies die Belange der Verkehrssicherheit gestatten. Auch diese Formulierung schließt Neuanpflanzungen von Alleen nicht aus, sondern erhebt sie zu einem wesentlichen Bestandteil des Merkblattes, das auch beschreibt, wie dieser Grundsatz an Bundesstraßen umgesetzt werden soll.

Vor diesem Hintergrund und aus naturschutzfachlicher Sicht ist der geplante Geltungsbereich der ESAB nicht akzeptabel, weil gezielt Verwaltungsvorschriften zu Nach- und Neuanpflanzungen von Alleen an Landesstraßen – wie sie z.B. in Mecklenburg-Vorpommern bestehen – untergraben werden. Hinzu kommt, dass Landkreise und Gemeinden die ESAB aus kostensparenden Gründen weitgehend anwenden werden. Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, warum auf allen schwach frequentierten Kreis- und Gemeindestraßen die ESAB zur Anwendung kommen soll. Inwieweit sich auf diesen Straßen überhaupt Unfälle mit Aufprall auf Bäume ereignen weist die ESAB nicht nach.
Der Hinweis, dass die ESAB auch Innerorts angewendet werden soll, ist überflüssig. Innerorts sind nur 50 km/h zulässig. Über den Zusammenhang von Unfallschwere und 50 km/h gibt die ESAB keinerlei Auskunft.

Fazit: Die ESAB kann keinen notwendigen Regelungsbedarf nachweisen und enthält in ihrer Zielstellung keine neuen Gedanken. Eine Weiterentwicklung im Bereich Pflege und Neuanpflanzungen von Alleen in Übereinstimmung mit der Verkehrssicherheit ist nicht erkennbar. Eine Abstimmung zwischen den Belangen des Naturschutzes und der Verkehrssicherheit für Straßen mit Baumbestand ist bereits in anderen Richtlinien ausreichend geregelt.
Aus dem Gesichtspunkt der Zuständigkeit darf sich der Geltungsbereich der ESAB höchstens auf Bundesstraßen beschränken.



Zu 1.2 Unfallschwere, Tabelle 1 (S. 6)

Die Unfallschwere ist zusammenfassend in Tabelle 1 dargestellt.

Stellungnahme: Tabelle 1 ist hinsichtlich der Unfallursachen wenig aussagekräftig.

Fazit: Es sollen die Ursachen der Unfälle ermittelt und dargestellt werden.



Zu 3.6 Bauliche Maßnahmen zur Minderung der Unfallfolgen, Entfernen von Bäumen (S. 12)

In der ESAB wird vorgeschlagen:

* „Bäume sind zu entfernen, wenn sie bereits geschädigt und nicht mehr verkehrssicher sind". * Aus der Sicht des Naturschutzes und der Landschaftspflege werden bestimmte Gesichtspunkte genannt, die für eine Erhaltung von Bäumen sprechen (z.B. Unterschutzstellung als Naturdenkmal).

Stellungnahme:
Es ist zu betonen, dass eine Baumfällung das letzte Mittel ist und nur dann zulässig sein darf, wenn verkehrstechnische Maßnahmen zuvor geprüft wurden und sich als nicht geeignet erwiesen haben. Bei Baumfällungen sind die jeweils geltenden naturschutzrechtlichen Bestimmungen der Bundesländer zu beachten. Für Baumfällungen sind Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen vom Straßenbaulastträger zu erbringen.

Im übrigen konkretisiert und differenziert die ESAB den Begriff „Schädigung" nicht. Es entsteht daher der Eindruck, dass jeder mehr oder weniger geschädigte Baum nicht mehr verkehrssicher und somit zu entfernen sei.

Die aus der Sicht des Naturschutzes genannten Punkte lassen völlig unerwähnt, dass Alleen und einseitige Baumreihen in Mecklenburg-Vorpommern und Alleen in Brandenburg gesetzlich geschützt bzw. in Mecklenburg-Vorpommern sogar nach der Landesverfassung zu schützen und zu pflegen sind. Dabei handelt es sich in Mecklenburg-Vorpommern um 4.374 km und in Brandenburg um ca. 12.000 km Alleenbestände an Straßen und ländlichen Wegen (Peters, 1996; Lehmann & Schreiber, 1997). Unterstellt man einen Pflanzabstand von 10 m in der Reihe und berücksichtigt, dass es sich bei 50 % des Gesamtbestandes um lückige oder einseitige Baumbestände handelt und unterstellt ferner, dass sich etwa 10 % des Gesamtbestandes an ländlichen Wegen befinden, dürfte davon auszugehen sein, das wir es allein in diesen beiden Bundesländern mit einer Größenordnung von ca. 2,1 Millionen gesetzlich geschützten Alleebäumen an Straßen zu tun haben. Bei Auswertung der Schäden des Gesamtbestandes in Mecklenburg-Vorpommern fiel auf, dass 50 % des Gesamtbestandes als geschädigt angesehen werden können, wobei der Grad der Schädigung sehr unterschiedlich ist (Lehmann & Schreiber, 1997).

In Brandenburg ist möglicherweise von einer ähnlichen Größenordnung auszugehen. Setzt man die ESAB konsequent um, könnten daher allein in beiden Bundesländern ca. 1,05 Millionen Alleebäume aufgrund ihrer „Schädigung" der Fällung zum Opfer fallen! Ein verstärkter Tausalzeinsatz in den letzten Jahren hat diese Situation noch verschärft.

Eine erhebliche Anzahl von Außerortsstraßen führt zudem durch Waldgebiete. Waldbäume gehören in den Zuständigkeitsbereich der Forstämter. Sofern Baumfällungen erfolgen sollen, müssten diese mit den Forstämtern abgestimmt werden. Schwer vorstellbar ist, dass aus Gründen der Verkehrssicherheit in Waldbereichen (breite Schneisen geschlagen, bestehende Waldränder zerstört und die Zerschneidungseffekte der Straßen erheblich vergrößert werden.

Fazit: Nach der gegenwärtigen Formulierung der ESAB wären bundesweit aufgrund ihrer „Schädigung" mehrere Millionen Straßenbäume zu entfernen. Rechtliche Regelungen zum Alleenschutz in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg fanden nicht einmal Erwähnung in der ESAB. Es stellt sich daher die Frage, ob durch die ESAB die einschlägigen Landesgesetze MV und BB ausgehebelt werden soll. Dies zeigt, dass eine fachübergreifende Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen nicht erfolgt ist.



Zu 4. Ergänzungspflanzungen an Straßen (S. 14)

In der ESAB wird vorgeschlagen, dass:

* Bei „straßenbaubedingten Eingriffen" auf „Gehölzpflanzungen" aus naturschutzrechtlichen Gründen grundsätzlich nicht verzichtet werden kann.
* „In einzelnen Fällen" können Ergänzungspflanzungen vorgenommen werden; degradierte und lückige Alleen sind jedoch „nicht um jeden Preis zu ergänzen und zu erhalten".
* Strauchpflanzungen werden empfohlen.

Stellungnahme: Unter dem Begriff „Gehölze" sind aus fachlicher Sicht sowohl Bäume als auch Sträucher zu verstehen. Insoweit geht die ESAB zunächst davon aus, dass, wenn Eingriffe durch den Straßenbau erfolgen, im Rahmen von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen Gehölze an Straßen grundsätzlich gepflanzt werden können. Strauch- bzw. Heckenneuanpflanzungen an Straßen sind jedoch aus natur- bzw. artenschutzfachlicher Sicht grundsätzlich abzulehnen. Derartige Pflanzungen können populationsbiologische Senken bzw. Tierfallen sein (siehe hierzu z.B. Bairlein & Sonntag, 1994).
Die Beschränkung in der ESAB, Ergänzungspflanzungen von Bäumen in Alleen nur in Einzelfällen vorzunehmen ist problematisch für den Erhalt der bestehenden Alleenlandschaft. Die Altersstruktur der Alleen weist keine mittelalte Alleengeneration auf. Beispielsweise ergab die Auswertung des Datenmaterials der landesweiten Kartierung der Alleen und einseitigen Baumreihen in Mecklenburg-Vorpommern einen mittleren Stammdurchmesser von 56 cm, was darauf hindeutet, dass der überwiegende Teil der Straßenbaumbestände deutlich älter als 100 Jahre ist; Neuanpflanzungen hat es in der DDR nachweislich kaum gegeben und somit fehlt eine mittelalte Alleengeneration fast völlig (Lehmann & Schreiber, 1997). Eine ähnliche Situation dürfte in den übrigen neuen Bundesländern vorliegen.

Fazit: Der derzeitige Gesamtbestand an Alleen kann langfristig nur durch Nach- und Neuanpflanzungen erhalten werden. Generell wird gefordert, dass zur Erhaltung und Weiterentwicklung unseres Kulturgutes „Allee" ein „rollendes" Verfahren entwickelt und angewendet wird.


Zu 4.1 Baumpflanzungen an Straßen (S. 14-15; 19)

Die ESAB gibt zusammenfassend zu Neuanpflanzungen folgende Empfehlungen:

* Bäume können unbedenklich nur dort gepflanzt werden, wo sie von Fahrzeugen, die von der Fahrbahn abkommen, nicht erreicht werden können (z.B. hinter passiven Schutzeinrichtungen).
* Neuanpflanzungen gelten – unabhängig von ihrem Stammdurchmesser – als gefährliche Hindernisse. Das Setzen von Schutzeinrichtungen wie z.B. von Schutzplanken wird bereits für Neuanpflanzungen empfohlen. * Ein Mindestpflanzabstand zum befestigten Fahrbahnrand von 5,00 m ist nur dann zulässig, wenn die Geschwindigkeit auf höchstens 70 km/h beschränkt wird.
* An Wirtschaftswegen sowie an „selbstständigen Geh- und Radwegen" können Bäume angepflanzt werden; hier bestehen keine Sicherheitsbedenken.
* Die Unfallgefahren (Unfallkosten) lassen sich bei einer Vergrößerung des Baumabstandes von 1,5 m auf 8,0 m auf etwa ein Drittel senken.
* Es ist nicht vertretbar, die zulässige Höchstgeschwindigkeit abzusenken, um dadurch Bäume im geringeren Abstand zur Fahrbahn zu pflanzen.

Stellungnahme: Voraussetzung für eine Neuanpflanzung ist, dass ein ausreichend breiter Randstreifen dem Träger der Straßenbaulast gehört. Bei dem zu befolgenden Mindestpflanzabstand von 5,00 m zum befestigten Fahrbahnrand ist der Erwerb eines Streifens der angrenzenden Nutzflächen – im überwiegenden Teil wird es sich dabei um landwirtschaftliche Nutzflächen handeln – notwendig. Dieser Flächenerwerb ist bei Straßenneubauten relativ einfach durch Ankauf oder Enteignung umzusetzen. In allen übrigen Fällen ist der Flächenerwerb jedoch schwierig. Probleme dabei sind:

* Randstreifen entlang von Straßen bestehen oftmals aus einer Vielzahl von Grundstücken mit unterschiedlichen Eigentümern. Diese Eigentümer der Flächen müssen zunächst bereit sein, ihre Flächen zum Zwecke von Baumpflanzungen zu verkaufen. * Es ist zu berücksichtigen, dass in den meisten Fällen zeitaufwendige Vermessungsarbeiten auf den einzelnen Grundstücken notwendig sind und dadurch hohe Kosten entstehen.
* Flächenankäufe verlaufen erfahrungsgemäß über mehrere Jahre. Dies hängt vor allem auch damit zusammen, dass bei den zuständigen Straßenbaulastträgern zu wenig Personal zur Durchführung von Flächenankäufen vorhanden ist.

Nach Ansicht der Alleenschutzgemeinschaft e.V. sind höchstens Abstände zum befestigten Fahrbahnrand von bis zu 4,50 m akzeptabel. Bei größeren Abständen geht der spezifische, zum Teil tunnelartige Alleencharakter und damit auch die Erlebniswirksamkeit einer Allee verloren. Die Erfahrungen in Mecklenburg-Vorpommern haben zudem gezeigt, dass bereits bei Pflanzabständen von 4,50 m zum befestigten Fahrbahnrand in den meisten Fällen weder das Geld noch das Personal vorhanden ist, um diese Flächen zu erwerben. Die Situation dürfte beispielsweise in Brandenburg ähnlich sein.

Aufgrund der o.g. Probleme unterstützen die Umweltminister der Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg in einer „Gemeinsamen Erklärung zu Schutz und Pflege der Alleen" vom 13. Oktober 2000 einen Pflanzabstand von bis zu 4,50 m zum befestigten Fahrbahnrand.

Neuanpflanzungen stellen aufgrund ihrer geringen Stammdurchmesser keine tödliche Gefahr dar. Es ist nicht nachvollziehbar, warum an allen Straßen Neuanpflanzungen hinter Schutzeinrichtungen gesetzt werden sollen. Zudem ist es aus landschaftsästhetischer Sicht und aus betriebswirtschaftlichen (Gründen)Erwägungen abzulehnen, überall Schutzeinrichtungen vor neu angepflanzten Alleen zu errichten.

Bei Neuanpflanzungen ist es sehr wohl vertretbar, die zulässige Höchstgeschwindigkeit zu verringern, um dadurch Bäume in geringerem Abstand zur Fahrbahn zu pflanzen. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung sollte generell für das Fahren in Alleen gelten, unabhängig von dem Abstand den die Bäume zum befestigten Fahrbahnrand haben.

Ab Mitte des 18. Jahrhunderts wurden Alleen in Mitteleuropa zunehmend an Straßen angepflanzt und hatten dort eine verkehrsführende Wirkung, vor allem weil sie den Straßenraum zu jeder Jahreszeit deutlich abgrenzen bzw. überhaupt erst sichtbar machen.

Alleen als Kulturgut zu erhalten, bedeutet, Alleen an Straßen zu schützen und neu anzupflanzen. Eine ausschließliche Verlagerung von Neuanpflanzungen an Rad- und Wanderwege wird dem historischen Verständnis einer „Allee" nicht mehr gerecht.

Fazit: Ein Pflanzabstand für Straßenbäume zum befestigten Fahrbahnrand von mehr als 4,50 m oder von 8,0 m ist nicht praktikabel und ist aus naturschutzfachlichen und landschaftspflegerischen Gründen nicht akzeptabel. Er geht einseitig zu Lasten der Alleen.
Grundsätzlich spricht nichts gegen das Aufstellen passiver Schutzeinrichtungen in Alleen als eine Maßnahme der Verkehrssicherheit. Diese Maßnahme sollte sich jedoch auf die tatsächlichen Gefahrenbereiche und Unfallschwerpunkte in Alleen beschränken. Zudem kann zur Unfallvermeidung auch das Mittel der Geschwindigkeitsbegrenzung herangezogen werden. Lediglich an Autobahnen sollte aus Gründen der Verkehrssicherheit auf Neuanpflanzungen von Alleen verzichtet werden.



Literatur

Bairlein, F., und B. Sonntag (1994): Zur Bedeutung von Straßenhecken für Vögel. Natur und Landschaft 69, Heft 2, S. 43-48.

Der Bundesminister für Verkehr (1992): Merkblatt Alleen. Verkehrsblatt-Verlag, Dortmund.

Der Umweltminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern und der Minister für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung des Landes Brandenburg (2000): Gemeinsame Erklärung zu Schutz und Pflege der Alleen vom 13. Oktober 2000. Lenzen.

ESAB (17. Juli 2001): Empfehlungen zum Schutz vor Unfällen mit Aufprall auf Bäume. Forschungsgesellschaft für Strassen- und Verkehrswesen e.V., Köln.

Lehmann, I., und E. Schreiber (1997): Die landesweite Alleenkartierung in Mecklenburg-Vorpommern. Teil 2: Ergebnisse. Stadt und Grün 46, Heft 6, S. 426- 433.

Peters, J. (1996): Alleen und Pflasterstraßen als kulturgeschichtliche Elemente der brandenburgischen Landschaft. Diss., Technische Universität Berlin.

RAS-LP 1 (1996): Richtlinien für die Anlage von Straßen. Teil: Landschaftspflege, Abschnitt 1: Landschaftspflegerische Begleitplanung. Forschungsgesellschaft für Strassen- und Verkehrswesen e.V., Köln.

RAS-LP 4 (1999): Richtlinien für die Anlage von Straßen. Teil: Landschaftspflege, Abschnitt 4: Schutz von Bäumen, Vegetationsbeständen und Tieren bei Baumaßnahmen. Forschungsgesellschaft für Strassen- und Verkehrswesen e.V., Köln.




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